Sie fordern bloß 228 Millionen Euro und zusätzliche 3000 Arbeitsstellen im Opferschutz. Seit Wochen trommeln die Vertreterinnen der Gewaltschutzorganisationen für die Erhöhung ihrer Mittel, sie halten Schilder in die Höhe, auf denen ihre Forderungen geschrieben stehen, absolvieren dutzende Interviewtermine. Die Welle an Femiziden öffnet ein Fenster medialer Aufmerksamkeit, das alles andere als selbstverständlich ist. Es gilt also keine Möglichkeit auszulassen, um die bittere Realität einem breiten Publikum zu schildern.
Im Grunde müsse stets „etwas sehr Schlimmes passieren“, oder es müsse wie im Fall des Bierwirts eine mehr oder weniger prominente Person sein, „bis gehandelt wird“, kritisierte Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser, bei einer Pressekonferenz.
Nicht nur Gewaltschutzorganisationen, feministische Initiativen insgesamt sind es gewohnt, aus einer Bittstellerposition heraus zu agieren. Ganz so, als wäre ihr Kampf für eine geschlechtergerechte Gesellschaft, in der Frauen nicht länger als patriarchales Besitztum gelten, das Privatanliegen einer überschaubaren Interessensgruppe. „Am Geld wird es nicht scheitern“, verkündete Kanzler Kurz vollmundig, bescheidene 24,6 Millionen Euro zusätzlich investiert die Bundesregierung nun in Gewaltschutzeinrichtungen und Felder wie die männerspezifische Prävention oder psychosoziale Prozessbegleitung. Auch wenn es sich tatsächlich um das umfangreichste Investitionspaket seit Langem handelt – es reicht bei Weitem nicht.
Frauenministerin Susanne Raab kündigte indes eine Studie an, die sich mit „unterschiedlichen Motiven kultureller Gewalt“ befassen wird, in der Diskussionssendung „Im Zentrum“ meldete sie Zweifel an, ob tatsächlich ein Zusammenhang zwischen der Gleichstellung der Geschlechter und Gewalt gegen Frauen existiere. Raab macht damit einmal mehr die frauenpolitische Haltung der Volkspartei deutlich, die immer noch auf einem patriarchalen Familienmodell fußt. Das Frauenministerium stellt deshalb nicht mehr als ein lästiges Anhängsel im türkisen System dar.
Gewaltschutz kann sich aber nicht darauf beschränken, die Brandherde zu löschen, es braucht den Kampf für eine andere, eine feministische Gesellschaft. Und diese erfordert eine ganze Palette an Maßnahmen. Um nicht länger nur an den patriarchalen Grundpfeilern zu rütteln, sondern sie endgültig einzureißen.
Es braucht neue Formen von Männlichkeit, die im Kern nicht von Macht, Dominanz und der Abwertung von Frauen bestimmt sind, sondern von Fürsorge und Partnerschaftlichkeit. Eine Umverteilungspolitik, die das Gemeinwohl über Kapitalinteressen stellt und somit Frauen eine eigenständige, sichere Existenz ermöglicht, statt sie in Altersarmut und Abhängigkeit zu treiben.
Feministisch brennt es längst an allen Ecken und Enden: Frauen stehen auf gegen übergriffige Arbeitgeber, die sich in ihrer Dienstlimousine schier unangreifbar fühlen. 24-Stunden-Betreuerinnen und Menschen in Pflegeberufen kämpfen für menschenwürdige Arbeitsbedingungen statt nur Applaus dafür, uns durch die Krise getragen zu haben. Und feministische Aktivistinnen machen Lärm gegen das unerträgliche Schweigen, wenn wieder eine Frau von ihrem (Ex-)Partner mit Benzin übergossen oder erstochen wurde.
Abseits der langwierigen, zähen Kämpfe braucht es aber auch einen Opferschutz, der sofort handelt. „Meine Tochter kommt nicht zurück, aber vielleicht kann man viele Mädchen und Frauen retten. Sicher gibt es viele, die leiden wie meine Tochter. Man muss verhindern, dass es so endet wie bei ihr“, sagte Slobodanka M., die Mutter jener jungen Frau, die der Bierwirt mutmaßlich ermordete, im Interview mit Corinna Milborn. Wie akut gefährdete Frauen besser geschützt werden können, dazu liegen bereits eine ganze Reihe an Vorschlägen auf dem Tisch. Millionen, die für Eigen-PR der Regierung so locker aus dem Ärmel geschüttelt werden – im Gewaltschutz wären sie besser aufgehoben. Fürs Erste braucht es nicht mehr als 228 Millionen.