Ein Kommentar von FIONA SARA SCHMIDT
Es ist Ende August, beinahe täglich gibt es neue Schreckensnachrichten: Wieder ertrinken Hunderte Flüchtende im Mittelmeer, 71 tote Menschen werden weniger als fünfzig Kilometer von Wien zusammengepfercht in einem LKW gefunden, deutsche Flüchtlingsunterkünfte brennen, Neonazis marschieren auf.
Die Zahl von 800.000 Geflüchteten, die dieses Jahr in Deutschland erwartet werden, ist keine Überraschung. Doch es sind Freiwillige, die vor dem Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales über Wochen Wasser und Nahrungsmittel verteilen, täglich warten dort über tausend Menschen in der Hitze. Im österreichischen Erstaufnahmezentrum Traiskirchen fehlt das Nötigste, sogar Toilettenpapier.
Ein Besuch von Amnesty International war nötig, damit Sichtschutz zwischen gemischten Duschen aufgehängt wurde. Damit NGO-Ärzt_innen ein „Feldspital“ errichten durften. Damit eine zentrale Annahmestelle für Spenden eingerichtet wurde.
Diese Zustände sind gewollt. Die Fotos aus Traiskirchen und anderswo sagen: Wir haben keinen Platz, das mitteleuropäische Boot ist voll, die reichsten Nationen der Erde haben keine Ressourcen mehr. Vonseiten der Politik
ist Betroffenheit über Tote auf österreichischem Boden zu hören, zusammen mit der Forderung nach strengen Grenzkontrollen, um „Schleppern das Handwerk zu legen“. Doch diese sind nur das Symptom einer Politik, die eine legale und vergleichsweise sichere Flucht verhindert.
Die schlechte Versorgung und fehlende Betreuung der Geflüchteten hängen außerdem mit der Privatisierung im sozialen Sektor zusammen. Diese Entwicklung wird von der ÖVP im Innenministerium seit Jahren als „schlanker Staat“ vorangetrieben, wodurch erfahrene NGOs verdrängt werden. „Die Menschen, die hier sind, haben es nicht leicht“, sagte Bundeskanzler Faymann angesichts der Obdachlosigkeit im überfüllten Erstaufnahmezentrum und trieb damit stellvertretend all die leeren Statements auf die Spitze. Der deutsche Vizekanzler Gabriel wollte deutliche Worte finden und nannte rassistische Demonstrant_innen „Pack“. Die Angesprochenen konterten beim Besuch der Bundeskanzlerin in Heidenau – viel zu spät und nur auf öffentlichen Druck zustande gekommen – mit „Wir sind das Pack“. Doch diese Menschen sind Teil von Deutschland und müssen von Politiker_innen jenseits der NPD adressiert werden, wenn noch Schlimmeres verhindert werden soll. Auf der anderen Seite zeigen Menschen große Solidarität mit Geflüchteten: Spenden, Demonstrationen und Aktionen. Doch – so gut und wichtig privates Engagement ist, es ist auch Ausdruck eines Abbaus staatlicher Verantwortlichkeit. Es sind nicht nur Sachspenden und Unterkünfte, sondern inzwischen auch Infrastruktur, die zivilgesellschaftliche Initiativen organisieren müssen.
Und auch wenn etwa in Syrien häufig Männer Flucht auf sich nehmen, um ihre Familien später nachzuholen: Achtzig Prozent der Flüchtenden weltweit sind Frauen und Kinder, sie brauchen besonderen Schutz. Es wurde von unzureichender Versorgung Schwangerer berichtet, Kinder, um die sich niemand kümmert, irren über das Gelände, Familien werden getrennt. Maria Rösslhumer vom Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser sagte gegenüber der „APA“, immer wieder sei von Dolmetscher_innen oder Hilfsorganisationen zu hören, in Traiskirchen käme es zu sexualisierter Gewalt. Auch International Women Space sieht die Sicherheit von Frauen und Kindern in Flüchtlingsunterkünften nicht gewährleistet. „Seitdem Amnesty im Lager war, sind viele Flüchtlinge aufs Land in Zeltlager gebracht worden. Die Zustände dort sind ähnlich arg“, so die Initiative Frauen* auf der Flucht. Sie fordert die Anerkennung frauen*spezifischer Fluchtgründe (wie Vergewaltigung als Mittel der Kriegsführung, Genitalbeschneidung, Zwangsverheiratung oder -prostitution), die häufig nicht berücksichtigt
würden.
Für Frauen gibt es in den Sammelunterkünften keine Rückzugsräume, keine Privatsphäre. „Auch Flüchtlinge haben das Recht auf Schutz vor sexueller Gewalt. Für Frauen, die ohne familiäre Begleitung in Flüchtlingslagern ankommen, müssen eigene Wohnräume geschaffen werden“, meint auch die Grüne Frauensprecherin Berivan Aslan.
Auch für jene, die in ihrem Herkunftsland oder während der Flucht sexuelle Gewalt erfahren haben, brauche es Schutz und psychologische Betreuung. Ein positives Beispiel ist das soeben eröffnete „Haus der Frauen Baden“ für Asylsuchende und deren Kinder als „Ort des Schutzes und der Sicherheit, an dem sie ihre persönliche Situation stabilisieren und Pläne für die Zukunft schmieden können“. Wenn sie denn bleiben dürfen.