alltägliche grenzerfahrungen
Sprachlos. Diese zwei Stunden haben mich im tiefsten Kern gerührt. Messerscharf analysiert das Stück „Roma Armee“ am Maxim Gorki Theater in Berlin die gegenwärtige Situation der Roma Community und ihrer AktivistInnen. Niemand wollte am Ende des Stücks aufhören zu klatschen. Dann wäre dieser Moment vorbei gewesen. Dieser Moment der Klarheit, der Einigkeit, des Mutes und der Bewegung. Es bewegt sich was. Statt der geplanten Diskussion im Anschluss dann Demo-Atmosphäre: starke Botschaften und Manifeste präsentiert von bekannten Aktivistinnen und dazu „Roma-Armee“-Sprechchöre im Publikum, Umarmungen und Tränen der Freude.
Diese Einschätzung teilen viele TheaterkritikerInnen Europas. So brachte es die schillernde, queere „Roma Armee“ auf Platz Eins in den Charts von nachtkritik.de. Verdient ist das. Präzise auf den Punkt gebracht ist das.
Das Stück entstand nach einer Idee der feministischen Romnja-Geschwister Sandra und Simonida Selimovic unter der Regie von Yael Ronen. Sie erzählen vom lähmenden Separatismus unter uns. FeministInnen sind keine Romnja. Weg mit ihnen. Homosexuelle haben wir bei den Roma nicht. Weg mit ihnen. Weißhäutige Roma leiden nicht genug – weg mit denen. Die Sinti, die Lovara, die Kalderash … weg damit. Es zeigt sich schnell, dass unter solchen Bedingungen kein „Movement“, keine Bewegung entstehen kann. Schon Ceija Stojka wusste, dass wir nur gemeinsam stark sein können „Kethane sam zurale“. Doch was ich bisher nur als leere Phrase auf Konferenzen gehört habe, ist an diesem Abend, auf dieser Bühne zum Leben erwacht.
Ich hatte es – dieses Gefühl, bei einem Ereignis dabei zu sein und genau zu wissen: Das hier geht in die Geschichte ein. Irgendwann wird die Aufführung dieses Stückes den historischen Beginn einer emanzipierten künstlerischen Avantgarde der Roma markieren.
Zum Schluss: Erleichterung. Yes, we are (finally) a movement! Oder wie Sandra es im Stück formulierte: Entschuldigung, aber das ist eine Revolution!
Gilda Horvath ist nach einem Jahr in Berlin nach Wien zurückgekehrt und hat dort nun romblog.at gegründet – ein Medium, in dem junge Menschen aus der Roma-Community zu MedienproduzentInnen ausgebildet werden.