alltägliche grenzerfahrungen
Amüsant, wie der „schmutzige, stinkende Auslända“ und die reinliche weiße Person konstruiert werden. Amüsant finde ich es nicht deshalb, weil ich auf rassistische Punchlines stehe, sondern weil diese Lüge schamloser nicht sein könnte. Zum ersten Mal hörte ich sexistisch-klassistische Beleidigungen in der ersten Klasse, als ein weißer Mitschüler mich wegen eines kleinen Flecks auf meinem T-Shirt „dreckige N*tte“ nannte. Seine Reaktion auf meinen Körper kam mir schon damals gewaltvoll vor – auf so vielen Ebenen. Zehn Jahre später: Ich erinnere mich an einen Nachmittag, an dem meine Mutter einer weißen Bekannten Urlaubsfotos aus dem Iran zeigte. Die Kartoffel-Lady fragte meine Mutter zwischen Familienfoto und Dichtergrab ganz rabiat, ob es „dort“ eigentlich Duschen gäbe. Selten habe ich meine Mutter in Anwesenheit weißer Deutscher so wütend erlebt. Während Europäer_innen im Mittelalter an der Pest verreckten, chillten meine nach Rosen duftenden Vorfahr_innen im damaligen Persien in Hamams. Nur als kleine Erinnerung. Die Anzahl weißer Linker (meist Typen), die mit „Hygienenormen brechen“, ist heute unüberschaubar. Kein Deo, kein regelmäßiges Duschen, vernachlässigte Nägel und von ihren Hinternabwisch-Gepflogenheiten will ich gar nicht erst anfangen. Neulich las ich in einem Riot-Grrrl-Roman, der gar kein Roman ist, von Michelle Tea. Bei den Beschreibungen der salzigen Schweißgerüche und Bierfahnen rollten meine Augen in einer 180°-Drehung nach hinten. Diese Hygieneverweigerungen sind nicht edgy, sondern nur ein weiteres Beispiel für weiße Klassenprivilegien. Und jedes Mal, wenn Leute mich fragen, warum neben dem Klo eine kleine Gießkanne steht, denke ich: Sorry Girl, aber über den Zustand deines Polochs will ich gar nicht erst nachdenken.
Früher dachte Hengameh Yaghoobifarah, sie sei komisch, weil sie sich nach jedem Klogang mit Wasser wusch. Nach Gesprächen mit anderen Kanack_innen und einem Proktologen weiß sie, dass sie in dieser Hinsicht alles richtig gemacht hat.