„Ich kämpfe – und ich glaube, das sieht man auch an meinen Taten in den letzten vier Jahren – mit voller Kraft für die Gleichstellung von Frauen und Mädchen.“ Susanne Raabs Selbstbild als Frauenministerin, das sie jüngst in der ORF-„Pressestunde“ zimmerte, muss gar nicht erst einem Realitätscheck unterzogen werden. Frauenpolitisch ist Österreich mit der Regierung Kurz I in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Seit Jahren aufgeschobene Projekte wie echte Lohntransparenz, ein Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Geburtstag, ein entkriminalisierter Schwangerschaftsabbruch auf Krankenschein oder auch nur geschlechterpolitische Kampagnen für die Umverteilung von Care-Arbeit: Fehlanzeige. Zugegeben, sich während eines pandemischen Dauerkrisenzustands als Frauenministerin zu behaupten, wäre für keine noch so motivierte – feministische – Politikerin eine einfache Aufgabe gewesen. Doch Raab und mit ihr die gesamte ÖVP-Regierungsmannschaft ließen Frauenpolitik in den vergangenen Jahren – abgesehen von punktuellen Initiativen im Gewaltschutz – zur Randnotiz verkommen. Dass Kanzler Nehammer im berüchtigten „Burger-Video“, in dem er einkommensarmen Familien einen billigen Hamburger um 1,40 Euro bei McDonalds empfiehlt, nun armutsbetroffene Menschen unter Parteifreunden verhöhnt und in Teilzeit arbeitende Frauen ins Visier nimmt, ist gleich in mehrfacher Hinsicht ein Schlag ins Gesicht. Es war bekanntlich Ex-Kanzler Kurz, der ein Bundesland „aufhetzen“ wollte, um umfassende Investitionen der großen Koalition in die Kinderbetreuung zu sabotieren. Aber auch schon davor inszenierten sich die Konservativen gerne als Hüter der traditionellen Familie und einer vermeintlichen, moralisch unterfütterten Wahlfreiheit („Ist es wirklich gut für das Kind, wenn es schon so früh in eine Krippe geschickt wird?“).
Der plötzliche, wenn auch behutsame Sinneswandel in Sachen Kinderbetreuung ist wohl weniger einem geschlechterpolitischen Umdenken als vielmehr dem Druck der Wirtschaft und der Industriellenvereinigung im Besonderen zu verdanken. Allerorts fehlen Arbeitskräfte: in Dienstleistungsberufen wie der Pflege und in der Gastronomie ebenso wie in der IT, auf die Erwerbsressource Frau zu verzichten, geht sich da einfach nicht mehr aus. Ein Investitionspaket in Kinderbetreuungseinrichtungen hat Schwarz-Grün nun also auf Schiene gebracht, offen bleibt, wer dort die verantwortungsvolle – und viel zu schlecht bezahlte –Knochenarbeit übernehmen wird. Frauenministerin Raab ließ es sich nach Nehammers Burger-Gate jedenfalls nicht nehmen, für den Kanzler persönlich in die Bresche zu springen: Wer mehr arbeite, verdiene eben mehr – und Familien müssten Verantwortung übernehmen. Dass im reichen Österreich sehr wohl viele Menschen mit den monatlichen Kosten kämpfen und zusätzliche Ausgaben wie eine Waschmaschine oder ein Schulausflug für schlaflose Nächte sorgen, zeigt der soeben veröffentlichte Bericht zu Krisenfolgen der Statistik Austria. Insbesondere Wohnkosten stellen eine große Herausforderung dar, verschlechtert hat sich die Lage der Alleinerziehenden. Im 2. Quartal 2023 hatten ganze 37 Prozent der Personen in Einelternhaushalten Schwierigkeiten, mit ihrem Einkommen auszukommen. Das sind überwiegend Frauen, die oftmals zwischen Erwerbs- und Care-Arbeit zerrieben werden und für ihre Kraftanstrengungen kaum gesellschaftliche Anerkennung erhalten. Stattdessen dürfen sich Niedrigverdiener*innen vom „Kurier“ verhöhnen lassen, der heimische Köch*innen nach Rezepten für warme 1,40-Euro-Mahlzeiten fragte.
Jene Botschaften, die die ÖVP hier sendet, als Vorwahlkampf-Geplänkel abzutun, wäre indes gefährlich. Sie offenbaren einen tief verwurzelten Klassismus – und eine sich radikalisierende „rohe Bürgerlichkeit“. Es sei „das, was viele Menschen denken“, meinen Parteivertreter*innen lapidar – und damit dürften sie recht haben. Bilden ÖVP und FPÖ nach der nächsten Wahl erneut eine Koalition, wird Sozialabbau mit großer Wahrscheinlichkeit auf der Agenda des Regierungsübereinkommens stehen. Bezahlen werden die Zeche eine (migrantisierte) Arbeiter*innenklasse und Frauen – das gilt es schon jetzt mit aller Kraft feministisch zu bekämpfen. •