The lonely sea / it never stops / for you or me / It moves along / from day to day / That’s why my love / you’ll never stay / This pain in my heart / these tears in my eyes / please tell the truth / you’re like the lonely sea (Wilson/Usher)
Warum lebe ich eigentlich nicht am Meer? Ich prangere es an: Fortuna hat bei mir definitiv etwas falsch gemacht! Allem Anstand nach hätte ich auf Hawaii aufwachsen müssen, wäre ein patentes Surfer Girl geworden und hätte inzwischen bereits eine Schar von Kindern in die Welt gesetzt, denen ich beim Wellenreiten den Hawaiian Way of Life weitergeben würde. Stattdessen hat mir die Vorsehung eine Jugend zwischen Wurschtlprater, Mannerschnitten und Opernballdemo beschert. Sonntags gab es Ausflüge auf die Rax und Hans Moser im Schwarzweißfernseher. Waldheim, Tschernobyl und die E.A.V. (für Nachgeborene: Erste Allgemeine Verunsicherung) prägten mein politisches Bewusstsein. Dabei hätte ich währenddessen mit den Walen schwimmen können, aber nein: Fern vom Aloha Spirit kämpfte ich gegen die kleinkarierte postfaschistische Alpenland-Mentalität. Das ging so weit, dass ich mich in meiner pubertären Verzweiflung von Trantüten wie John Lennon und Kurt Cobain verstanden glaubte: I’ve got every reason on earth to be mad … Doch Rock’n’Roll war nur eine Notlösung. Auch die Falsettchöre der Beach Boys konnten vorerst keine Abhilfe schaffen, zumal ich mit Pet Sounds ungefähr genauso viel anfangen konnte wie mit den opulenten Pink-Floyd-Alben, mit denen mich mein Boyfriend so ausdauernd wie gnadenlos quälte. Mein musikalisches Glück fand ich erst im instrumentalen Surf von Bands mit klingenden Namen wie The Ventures, The Bel-Airs, The Lively Ones, The Chantays, The Surfaris, Link Wray und Johnny Fortune. Als ich zum ersten Mal Sleep Walk von Santo & Johnny hörte, öffnete sich mein Herz und ich war angekommen. Das ist sie, die Musik, nach der ich immer gesucht hatte: verträumt, abgründig, euphorisierend und kraftvoll wie der Ozean, meine einzig wahre Liebe.
Vera Kropf ist Gitarristin und Sängerin bei Luise Pop und plant, demnächst in See zu stechen.