Ein Kommentar von ANDREA HEINZ
„Ganz im geheimen wird wieder entworfen, was eine Frau ist […]. Es müssen die Haare zwanzigmal gebürstet werden, die Füße gesalbt und die Zehennägel lackiert werden, es müssen die Haare von den Beinen und unter den Achseln entfernt werden, die Dusche wird an- und ausgemacht, ein Körperpuder wolkt im Badezimmer, es wird in den Spiegel gesehen […].“ Das biologische Geschlecht maximal dem erwünschten sozialen anzupassen, war schon zu den Zeiten, als Ingeborg Bachmann ihren Roman „Malina“ schrieb, vor allem eines: harte Arbeit. Ständig muss nachgebessert und renoviert werden, und 40 Jahre später sind die Anforderungen an den Körper sogar noch gestiegen: Auch an intimen Stellen möge er sich bitte nicht so gebärden, wie es ihm passt. Da sei der Brazilian Hollywood Cut vor!
Der Trend zur Intimrasur entwickelt buchstäblich haarsträubende Auswüchse: Schwimmerin Franziska van Almsick verkündet öffentlich, sie fände Körperbehaarung grundsätzlich unhygienisch. Was sie von Kopfbehaarung und diversen anderen Körperfunktionen hält, konnte nicht eruiert werden. Victoria Beckham jedenfalls kann sie verstehen. Beckham fordert, Intimrasur solle für Frauen ab 18 Jahren Pflicht sein (so gelesen im „Zeit“-Artikel „Schönheit unter der Gürtellinie“).
Man könnte solche Entwicklungen natürlich einfach ganz gelassen nehmen. Soll doch eine jede mit ihrem Busch machen, was sie will. Nicht nur mein Bauch, mein ganzer Körper gehört mir – oder? Wirft man einen Blick auf die erstaunlich zahlreichen Internet-Selbsthilfe-Seiten zum Thema, so scheint es ja durchaus, als könnte die Sache zur spaßigen Obsession werden. Hingebungsvoll wird da über Nassrasur, Babypuder und Pickelchen, schwarze Stoppeln unter der Haut und deren Vermeidung referiert. Denn, so der Tenor: Haare sind eklig und wir „schließlich keine Orang Utans“. Eine Tatsache. Außerdem ist es so „geiler, sauberer, leckerer … ich mach das jetzt seit vier Jahren und bereue keinen Tag“.
Ein bisschen anders sieht das Politikwissenschaftlerin und Philosophin Regula Stämpfli. Sie schrieb bereits 2008 in der „Emma“: „Kindermösen an erwachsenen Frauen sind also nicht einfach chic, hip, Mode, bequem, geil, lockeres Schönheitshandeln, sondern sie sind die am eigenen Körper vollzogene herrschende politische Philosophie. Die entblößenden Kindermösen erwachsener Frauen sind unreflektierte Kopien globalisierter und anatomisierter, enterotisierter und entweiblichter (Waren)Körperhandlungen.“
Zum pädophilen Aspekt kommt für Stämpfli ein zunehmender Verlust an Individualität: „Zwischen den Beinen sehen dann alle gleich aus, und die Intimoperationen sind nur noch ein weiterer Schritt in eine ähnliche Richtung. Der Mensch wird uniform“, zitiert sie die „Zeit“. Denn auch die Genitalien werden zunehmend normiert, und eine OP scheint für immer mehr Frauen der einzige Weg zu sein, dieser Norm zu entsprechen. Der Horrorgeschichten von misslungenen Intimoperationen gibt es genug, man kann es sich ausmalen.
Doch auch harmlosere Auswirkungen des neuen, haarlosen Schönheitsideals geben zu denken. Im soeben erschienenen Buch „Living Dolls: Warum junge Frauen heute lieber schön als schlau sein wollen“ von Natasha Walter werden junge Studentinnen der Uni Cambridge mit der Aussage zitiert, sie würden niemals im Leben mit einem Mann schlafen, wenn sie sich nicht zuvor die Schamhaare rasiert hätten. Schließlich wissen sie, „was die Männer gesehen haben und was sie erwarten“. In der „Zeit“ berichten Sexualpädagogen von 13-Jährigen, die sich nicht mehr ins Schwimmbad trauen und heulend über ihre Schambehaarung zu Hause verkriechen.
Natürlich kann man Intimrasur mit Sex-positivem Feminismus und gesteigertem körperlichen und sexuellen Selbstbewusstsein in Verbindung bringen. Schließlich haben sich auch Feministinnen der zweiten Frauenbewegung zum Zwecke der Selbstuntersuchung rasiert. Doch irgendwie sieht das hier nicht danach aus.
Der Grundsatz, dass ein/e jede/r selbst über seinen/ihren Körper entscheiden kann und darf, der soll und muss immer gelten. Aber wir sollten uns hüten, eine neue Körpernorm und einen völlig unbegründeten Zwang einzuführen, unter dem (wiederum völlig unnötig) Menschen leiden. Der eigene Körper ist kein Feind, den es ohne Unterlass zu bekämpfen gilt. Und mein Busch gehört verdammt noch mal mir!