alltägliche grenzerfahrungen
Ich hätte nie gedacht, dass mir mein künftiger Ehepartner „fremd“ sein könnte. Man muss doch als Kind dieselben Zeichentrickfilme gesehen haben, um als Erwachsene seelenverwandt zu sein, oder? Man muss „aus demselben Teig gebacken“ sein und im Bett dieselbe Sprache flüstern!
Doch nun bin ich schon seit sieben Jahren mit einem Mann zusammen, der für mich mal irgendein „Kerl vom deutschen Techniksupport“ eines gemeinsamen Projekts und für den ich anfangs bloß eine „belarussische Menschenrechtlerin“ war. Ich habe nie die „Sendung mit der Maus“, er nie den russischsprechenden Winnie Puuh erlebt. Ich esse zum Frühstück Buchweizenbrei, er nimmt belegte Brötchen. Ich fluche saftig auf russisch, er erkennt nur an der Intonation, dass ich ihm gerade keine Liebeserklärung mache. Er fühlt sich völlig im Recht, wenn er ÄrztInnen oder BeamtInnen tausend Fragen stellt, ich zucke dabei innerlich zusammen. In meinem Land gibt es keine Münzen, deswegen wandert mein ganzes Kleingeld großzügig in sein Portemonnaie, denn ich zahle nur mit Scheinen. Er steht auf deutsche Ordnung, ich freue mich insgeheim, dass es jemanden gibt, der das gehasste Abheften von Dokumenten übernimmt. Wenn ich die Initiative ergreife, fühlt er sich nicht in seiner männlichen Würde verletzt. Danke an alle Generationen deutscher Feministinnen!
Nun fragen wir uns, ob die ersten „Ois“ und „Aahs“ unseres Kleinen wohl deutsch oder russisch waren. Aber wie auch immer: Die Zeichentrickfilme in beiden Sprachen stehen jetzt für uns beide auf dem Programm, ob wir wollen oder nicht. Es gibt nur eins, was mich in unserer binationalen Ehe jedoch wirklich stört: das Apfelmus, mit dem mein Mann seine Kartoffelpuffer isst. In Belarus sind Kartoffelpuffer nämlich ein heiliges Nationalgericht und werden nur salzig genossen. Ach Liebster, es tut mir so weh, das zu sehen! Nimm doch bitte saure Sahne!
Jeanna Krömer schreibt aus Berlin zu Osteuropa, neuen Medien und Menschenrechten. Kontakt: jakroemer@gmail.com