Mona Elvert
Ich stehe auf Dirty Talk – theoretisch. In meiner Vorstellung ist es wahnsinnig hot, beim Sex von meinem Partner zu hören, was ihn gerade anmacht: Wie ich aussehe, wie ich rieche, wie ich mich anfühle. Dass ich schwitze, dass ich laut bin, dass meine Vulva tropft. Und auch ich stöhne meinem Partner ins Ohr, was ich an ihm heiß finde und was ich als nächstes will.
In Wirklichkeit bin ich beim Sex oft sprachlos. Als Mädchen und Frau habe ich gelernt, mich für meine Lust, meine Wünsche und Fantasien zu schämen. An starken Tagen schaffe ich es, mich davon zu befreien. Aber wenn ich dann beschreiben will, was ich genau möchte, fallen mir nur Wörter ein, die ich nicht benutzen will. Zwischen ihnen stecke ich fest. Es gibt technische oder medizinische Begriffe, die sich viel zu steril für meinen Sex anfühlen: Niemand soll mich fragen, ob er sein „Glied einführen“ darf, cringe! Und es gibt viele Worte, die ich erniedrigend, respektlos und eklig finde. Fotze. Titten. Die Sprache, die ich habe, kommt aus den einzigen Bereichen, in denen diese verschämte Gesellschaft mir Worte für Sex gegeben hat: aus dem Biounterricht und aus den frauenfeindlichen Pornos, die ich als Teenie heimlich anschaute. Dazwischen klafft eine riesige Lücke. Mir fehlt ein Vokabular, das ich mag. Das aufregend und verrucht ist; liebevoll, aber nicht kitschig.
Also habe ich neulich meinen Mut zusammengenommen und mit meinem Freund darüber gesprochen. Ich wollte mit ihm unseren eigenen Sexwortschatz kreieren und habe erzählt, welche Worte ich mag und welche nicht. Er hat mir zugehört, ohne selbst viel zu sagen. Seitdem sagt er mir beim Sex Dinge, die mich wahnsinnig heiß machen. Ich aber bin weiterhin sprachlos. Denn er hat mir nie rückgemeldet, wie er meine Wörter findet und welche er selbst mag. Ihm fällt es seit unserem Gespräch leichter, Wörter einfach auszuprobieren. Aber meine Scham ist so groß, dass ich erst mehr Feedback brauche, bevor ich mich sicher fühle. Danke, weibliche Sozialisation! Aber so schnell gebe ich nicht auf. Ich werde ein neues Gespräch anstoßen.
Mona Elvert freut sich über anonyme Leser*innenbriefe mit Empfehlungen für den schönsten Dirty Talk: tinyurl.com/2p997n72