Unter den Hashtags #SolidarityIsForWhiteWomen und #SchauHin wird (Alltags-)Rassismus angeprangert. Was können solche Tweets bewirken? MIKKI KENDALL und HENGAMEH YAGHOOBIFARAH erzählen von ihren Erfahrungen.
#SolidarityIsForWhiteWomen war das Kürzel für ein viel größeres Problem innerhalb des Feminismus. Der Twitter-Hashtag begann als Reaktion auf die Probleme, die einige US-feminists of color mit Hugo Schwyzer hatten. (1) Obwohl er regelmäßig women of color angriff, wurde er von Weißen Feministinnen unterstützt. Das Grundproblem lässt sich aber nicht auf diesen jüngsten Vorfall reduzieren: Im Fokus des westlichen Mainstream-Feminismus liegen meist die Lebensrealitäten von Weißen Frauen der Mittel- und Oberschicht. Dieser Fokus bewirkt, dass vorgeblich feministische Organisationen die Anliegen von Ärmeren und women of color ignorieren. Jene Bewegung, die von sich behauptet, sich für alle Frauen einzusetzen, ignoriert also die Probleme von women of color, weil sie Weiße Frauen nicht betreffen. Der moderne Feminismus hatte von Beginn an ein Problem mit race. Seine Entstehung wird Weißen Frauen zugerechnet, obwohl feministische Prinzipien auf traditionellen Rechten der Irokesinnen beruhen. Bis vor Kurzem haben diese keine Anerkennung dafür bekommen. Um erfolgreich zu sein, muss der Feminismus aber die Anliegen aller Frauen widerspiegeln.
Die Tweets mit dem Hashtag #SolidarityIsForWhiteWomen sprachen unterschiedlichste Themen an: etwa, dass Native American women von sexualisierten Übergriffen durch Weiße Männer stärker betroffen sind, ebenso wie Probleme, mit denen sich arme Mütter in der Rezession konfrontiert sehen. Viele Tweets befassten sich mit Fragen von race und Klasse in feministischen Organisationen. Anfänglich berichteten die Mainstream-Medien nicht über den Hashtag, aber als er in mehreren Ländern aufgegriffen wurde, reagierten unterschiedlichste Webseiten darauf. Manche kontaktierten mich direkt, andere nicht, aber alle sprachen über die Probleme, die der Hashtag aufzeigte. Und das war das Beste, das passieren hätte können.
Mikki Kendall (auf Twitter: @karnythia) initiierte #SolidarityIsForWhiteWomen und ist Autorin, Aktivistin und Gründerin von www.hoodfeminism.com.
Übersetzung aus dem Englischen: Susanne Kimm.
Anmerkung der Übersetzerin: Da sich der Kommentar auf den US-amerikanischen Kontext bezieht, wurden Begriffe wie women of color und race im Original belassen.
Fußnote:
(1) Siehe dazu z.B. http://bit.ly/1cATLuv
Sie fragen dich nach deiner Herkunft, lachen dich wegen deines Namens aus, machen sich über den Akzent deiner Eltern lustig, wollen deine Haare anfassen, verwenden schamlos das N-Wort. Sie, das sind nicht nur Neo-Nazis. Sie stehen nicht am rechten Rand, sondern in der Mitte der Gesellschaft. Sie gehen mit dir zur Schule, zur Uni, zur Arbeit, sie sind Lehrkräfte und Arbeitgeber_innen.
Alltagsrassismus ist kein Mythos, sondern deutschsprachige Realität. Wer aufgrund der Hautfarbe oder des Namens nicht ins Bild passt, wird täglich mit Diskriminierung und Othering konfrontiert.
Darüber gesprochen wird bereits lange, zahlreiche Blogs und Tweets über Erlebnisse wurden schon verfasst. Ende letzten Jahres startete auch in den deutschen Mainstream-Medien eine Debatte über Antirassismus, ausgelöst durch Kritik an rassistischen Begriffen in Kinderbüchern.
Anfang September fand in Berlin die Veranstaltung „Sexismus und Rassismus ab_bloggen“ der Friedrich-Ebert-Stiftung statt. Neben Netzfeminismus wurde auch über Antirassismus gesprochen, auf dem Podest standen Kübra Gümüs¸ay, Sabine Mohamed und Jamie Schearer. Spätestens hier wurde klar, dass ein einheitlicher Hashtag wie bei #Aufschrei nötig ist. Nach einer Diskussion auf Twitter über den Namen des Hashtags startete am Nachmittag des 6. Septembers #SchauHin. Meine gesamte Timeline und ich selbst zogen mit.
Sichtbar wurden dabei nicht nur die Quantität alltagsrassistischer Konfrontationen, sondern auch ihre unterschiedlichen Formen, die Rolle von Machtverhältnissen und die Reaktion der Unterdrückenden auf Kritik. Trolls lassen sich im Internet kaum vermeiden, ignorante Erwiderungen über „umgekehrten Rassismus“ leider ebenso wenig.
#SchauHin ist mehr als ein Twitter-Trend. Schließlich ist Alltagsrassismus on- und offline relevant. Auf der dazugehörigen Facebook-Seite werden Artikel, Erlebnisse und Debatten diesbezüglich geteilt.
Hengameh Yaghoobifarah ist Studentin und freie Autorin. Sie bloggt auf Tea-Riffic und twittert unter @sassyheng.