Yasmo aka YASMIN HAFEDH hat ihr zweites Rap-Album „Kein Platz für Zweifel“ veröffentlicht und ganz nebenbei den Ö-Slam, die österreichischen Poetry-Slam-Meisterschaften, gewonnen. Eine Hommage von MIEZE MEDUSA.
Spielen wir mit offenen Karten: Was Yasmin Hafedh betrifft, bin ich nicht gerade objektiv. Vor Jahren hat sie auf meiner Bühne Slam-Blut geleckt und seither kaum eine Chance ausgelassen, um beim Poetry Slam „textstrom“ im Wiener rhiz aufzutreten. Sie ist eine der wenigen erfolgreichen Rapperinnen in Österreich, ihre Alben „keep it realistisch“ (2011) und „Kein Platz für Zweifel“ (2013) sind auf dem Label !records erschienen. Auch da habe ich meine Finger im Spiel.
Wir treten gemeinsam als das Slam-Team MYLF (Mothers You’d Like to Flow with) auf. Nicht zuletzt ist sie eine sehr gute Freundin. Warum ich trotzdem einen Artikel über sie schreibe? Wer sollte es denn sonst tun? Beide Königsdisziplinen des Schnellsprechens, Rap und Poetry Slam, sind Subkultur; Menschen, die beide Szenen kennen, erstaunlich selten.
„Für eine Frau gar nicht so schlecht“. Ich dagegen weiß ganz genau, welche Frage ich Yasmin Hafedh besser nicht stelle. Ich bin selbst müde, sie zu beantworten. Zwar habe ich eine präzise Ahnung von Rollenzuschreibungen, Seilschaften, von Diversität und dem „Vergessen“ darauf, (mehr als) eine Frau fürs Line-up zu buchen. Trotzdem ist die Frage „Und du als Frau …?“ ausgesprochen langweilig. Die Tatsache, dass wir als Frauen ein Mikro in die Hand nehmen, ist doch eigentlich nicht bemerkenswert. Vor allem verglichen damit, was wir mit dem Mikro in der Hand dann machen. Yasmo hat die Nase voll und beantwortet die wiederholt gestellte Gretchenfrage mit einem eigenen Track: „Ich bin Rapperin und für eine Frau gar nicht so schlecht, fick dich und überleg, wer von uns beiden grade rappt … Ich bin Frau / ich bin Mädchen / ich bin Hure / ich bin Gretchen / ich bin da / ich bin wach / ich bin stark / egal, was ich mach.“
Kapitalismuskritik und Harry Potter. Popkultur heißt immer auch, den eigenen Referenzrahmen absolut und sich selbst ins Zentrum zu setzen. Rap ist immer auch Name-Dropping. Für Zweifel findet Yasmo keinen Platz, dafür aber für Harry Potter, James Franco, die Anprangerung von White Privilege und eine wortreiche Kapitalismuskritik. Und rappt dann doch übers Schuhe-Kaufen, während sie Thomas Bernhard zitiert. Später Friedrich Schiller. Und nochmal später sich selbst. „Die Kopie einer Kopie“ ist sie nicht, im Gegenteil: Ihre Stimme hat einen hohen Wiedererkennungswert, während ihr Flow auf die Beats von Selbstlaut, Aligatorman und Mirac reagiert, stilistische Wandlungsfähigkeit unter Beweis stellt. Yasmos Art zu reimen ist unprätentiös und einprägsam. Geht runter wie Butter.
It’s Tea Time, innit? Wenn ihr euch nach einem engeren Reimschema und einer härteren Gangart sehnt, wird euch Yasmin Hafedh trotzdem begeistern. Selbst ein Fan von Battle-Attitüde, Grime und UK-Slang, hat sie ein weiteres Alter Ego inszeniert: Miss Lead. Hochhackige Schuhe, Make-up und Sonnenbrille. Das Spittin’ Image der intellektuellen Rapperin, Slammerin und Studentin der Theaterwissenschaft. Geht runter wie ein letzter Gin ohne Tonic nach einer langen Nacht im Club. Miss Leads „Move It Out“ schafft es auf die „FM4 Soundselection“ und wird beim Sender rauf und runter gespielt. Und plötzlich wissen auch die harten Jungs der Szene, dass Yasmin Hafedh rappen kann, und laden zum Feature. Weil sie eine Frauenstimme brauchen. Schon wieder Gretchenfrage. Weil Yasmin bewiesen hat, dass sie auch Gangsta ist. Weil ihnen das Zuhören und Beurteilen leichter fällt, wenn in Fremdsprache gerappt wird und eine Kunstfigur vor ihnen steht. Authentizität ist in der Rap-Szene nicht unbedingt ein Gütesiegel. Wenn etwas klingt, als wäre es einfach, übersieht Szene ganz gern, wie gut es gemacht ist.
„Ehrlich? Jetzt merken sie, dass ich rappen kann?“, kommentiert Madame Hafedh die Aufregung nach Erscheinen ihrer EP „It’s Tea Time“. Aber natürlich: Yasmin ist auch Fan von Miss Lead. Sonst hätte sie die Songs ja nicht geschrieben, innit?
„It’s Tea Time“ könnt ihr übrigens online kaufen (pay as you wish). Gast-MC darauf ist Yasmo – die Gegeneinladung auf „Kein Platz für Zweifel“ natürlich Ehrensache. Das Spiel mit Alter Egos, Szenen und Codes ist raffiniert und mehrschichtig.
Leg dein Ohr auf die Schiene der Geschichte. Zurück also zu Yasmo. Ihr zweites Album „Kein Platz für Zweifel“ setzt auf Altbewährtes, nur besser. Mehr als früher hat Yasmo sich ins Arrangement eingemischt, auf Bridges, auf die Live-Tauglichkeit, aufs Songwriting insgesamt geachtet. Und sie hat Gäste eingeladen: Selbstlaut, Def Ill, Jahson the Scientist, P-Tah. Giga Ritsch steuert zwei Refrains mit Ohrwurmqualität bei, ihre Band wosisig hat übrigens gerade ein beachtenswertes Debütalbum veröffentlicht. Auch dafür möchte ich um offene Ohren bitten.
Mit der Sängerin und Komponistin The Unused Word ist eine weitere bemerkenswerte Zusammenarbeit gelungen. „Schlaflos“ heißt der Track, The Unused Word schafft es im Refrain, Bedeutungen hin und her zu drehen, den Boden unter den Füßen wegzuziehen und trotzdem ins Ohr zu gehen.
Viele Gäste, fast bei jedem Track ein Feature Guest. Trotzdem ist „Kein Platz für Zweifel“ kein Fleckerlteppich. Der rote Faden ist Yasmos Stimme, was sie und wie sie es sagt. Ihre Einladungen sind wohlüberlegt, die Tracks kein Produkt einer Herangehensweise à la „machen wir was zusammen, egal was“. Sie weiß, wovon sie schreibt. Sie weiß, für wen sie schreibt.
Poetry what? Poetry Slam! Apropos. Falls es noch Menschen gibt, die es nicht wissen sollten: Ein Poetry Slam ist ein Abend von und für das Publikum. Total DIY. Schreib deinen Text. Stell dich auf die Bühne. Bring die Menschen dazu, dir zuzuhören. Kommt aus Amerika. Stammt in gewisser Hinsicht vom Rap ab. Klar, dass es Yasmin Hafedh auch in dieser Disziplin zur Meisterschaft gebracht hat. 2009 hat sie in Düsseldorf die deutschsprachige Meisterschaft in der Kategorie U20 (Unter Zwanzigjährige) gewonnen. Als erste und bisher einzige Österreicherin. Dieses Jahr hat sie den Ö-Slam gewonnen, die österreichische Meisterschaft. Als erste Frau.
Wie man gut wird in dieser Königsdisziplin des Schnellsprechens, frage ich die frischgebackene Meisterin: mit Talent, aber auf jeden Fall mit Übung. Rumfahren und möglichst viel auftreten, im Idealfall international. Möglichst viele Bühnen und möglichst viele unterschiedliche Arten des Publikums kennenlernen. Sich der Konkurrenz stellen und dem Wettbewerb. Die Kunstform ernstnehmen.
Yasmin Hafedh hostet übrigens auch selbst Poetry Slams: Sie ist Teil des Teams textstrom und Chefin des „DTS Slams“ im Wiener Lokativ. Und ab Januar 2014 auch Gastgeberin beim „Sturm auf den Turm“-Slam im Wiener Hundsturm. Jeden dritten Donnerstag im Monat wartet sie darauf, von den internationalen und Wiener Slammer_innen beeindruckt zu werden. Ich auch. Denn Yasmin Hafedh hat bewiesen, was möglich ist, wenn du dem Zweifel keinen Platz lässt.
Mieze Medusa ist Rapperin, Autorin und die Pionierin der österreichischen Poetry Slam Szene. Letzte Veröffentlichung: Ping Pong Poetry – die neuen besten Slamtexte mit CD (Milena Verlag, 2013)
1 Kommentar zu „Kunst, y’all“
Bitte , kann mir jemand sagen wie das Lied von yasmo heißt wo sie eben singt “ich bin frau ich bin mädchen ich bin hure ich bin gretchen” ???? Ich suche überall danach !