In ein paar Wochen werde ich dreißig. Ich freue mich darauf, den Zweier gegen einen Dreier zu tauschen. Dreißig fühlt sich so stimmig an, irgendwie genau nach dem Ort, an dem ich in meinem Leben gerade sein möchte. Ich fühle mich angekommen.
Dabei bin ich, wenn Maßstäbe aus der Mainstream- Hetero-Welt angewendet werden, sehr weit entfernt von einem gelungenen Lebensentwurf: Ich befinde mich nicht in einer zumindest eheähnlichen Partner*innenschaft. Ich wohne in einer WG mit fünf anderen Personen, mit keiner dieser Personen befinde ich mich in einer romantischen Beziehung. Ich kämpfe seit Jahren mit meiner immer noch unfertigen Dissertation, die Uni-Karriere habe ich an den Nagel gehängt. Momentan bin ich arbeitslos und beziehe Sozialleistungen. Das Teuerste, das ich besitze, ist wahrscheinlich die Jahreskarte für die öffentlichen Verkehrsmittel der Stadt, in der ich lebe. Ich mache seit Jahren einmal die Woche Therapie, um mich selbst zu bewältigen. Ich gehe immer noch manchmal bis sechs Uhr morgens tanzen.
Wenn ich allerdings meine eigenen Standards der kleinen queeren Welt, die ich mir im letzten Jahrzehnt aufgebaut habe, ansetze, sieht die Situation ganz anders aus: Meine Wahlfamilie ist groß und liebevoll. Wir haben gemeinsam Kinderpläne und ich bin mir sicher, dass wir auch im Alter noch füreinander sorgen werden, ganz egal, in welchem sozialen sowie rechtlichen Absicherungsverhältnis wir zueinander stehen. Es gibt wunderbare Menschen in meinem Leben, mit denen
ich Intimität und Sexualität in den unterschiedlichsten Formen teilen kann. Ich bin verliebt: in Personen, in die Stadt, in der ich lebe, in die queerfeministischen Theorietexte, die ich für meine Dissertation lese. Ich freue mich jeden Abend, nach Hause zu kommen und mit meiner WG die Erlebnisse des Alltags zu teilen. Die Pause zwischen meiner ehemaligen und einer neuen Lohnarbeit gibt mir die Möglichkeit, mich selbst wieder zu spüren und mir zu überlegen, wo ich jobtechnisch eigentlich hinwill. Ich hatte noch nie so eine zärtliche und wohlwollende Beziehung zu mir selbst. Ich gehe immer noch manchmal bis sechs Uhr morgens tanzen.
SOPHIA FOUX liebt das queere Leben und all die zauberhaften Menschen darin – und das sogar jedes Jahr mehr.